Aktuelle Kritik

Berni Filser und Jürgen Kirner (rechts) beim Benefizkonzert im Thomahaus in Dachau. Berni Filser und Jürgen Kirner (rechts) beim Benefizkonzert im Thomahaus in Dachau. Toni Heigl

Benefizkonzert: "Wir wollen Riesters Rente"

Mit beißendem Spott begeistert die Couplet AG im Thoma-Haus

Die Kinder im Hebertshausener Haus des Lebens werden sich demnächst wohl ebenso freuen wie die Zuschauer im ausverkauften Stockmann-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses am Freitagabend. Warum? Im Haus des Lebens finden Kinder und ihre jungen Mütter Zuflucht und eine Zukunft, wenn sie von der Familie und der Gesellschaft alleine gelassen werden. Nun können die Kids bald auf einem dringend benötigten Spielplatz toben und spielen. Ermöglicht haben das unter anderem die Zuschauer des vom Lions Club Dachau organisierten Benefizkonzerts der Couplet Arterhaltungs-Gesellschaft, besser bekannt als Couplet AG. Der Erlös ihres Konzerts geht nämlich vollständig an das Haus des Lebens. Die Zuschauer wiederum erlebten eine bestens aufgelegte Couplet AG mit "Das Beste - 25 Jahre Couplet AG".

Auch nach unzähligen Revivals und Tourneen singen Jürgen Kirner, Bianca Bachmann, Bernhard Gruber und Berni Filser mit überschäumendem Temperament gegen "Muttis mit Latte-Macchiato-Schaum im Hirn und ihre Waldorf-Monster" an. Sie nehmen sich mit liebevoller Bosheit der bindungswilligen Senioren an. Die "kommen allein und sterben zu zweit" dank Bachmanns tütteliger Partnervermittlung. Da gehen womöglich auch noch "gut erhaltene Reste" (Horst Seehofer auf einem überdimensionalen Foto) eine neue Bindung ein. Jürgen Kirners dunkel gestreifter Bademantel und seine abgewetzte Aktentasche dürfen nicht fehlen. Kündigen sie doch - Couplet-AG-Kenner wissen das - eine seiner Glanznummern an. Mit durchdringender Stimme kreischt er "Haaaaaaben Sie meine Rente gesehen?" Und führt eindringlich das armselige Mini-Rentner-Dasein vor Augen, das so gar nichts mit den bunten Werbebildern von betuchten Best Agern zu tun hat: "Wir wollen keine Riester-Rente, wir wollen Riesters Rente, damit wir am Ende den Grabstein zahlen können." Alles frühere Nummern, aber eine geschickte neue Wendung hier, ein hinterfotziges Aperçu da: Und schon wird's hochaktuell, etwa so: "Der Trump war früher eine Krake und hat in Loch Ness gewohnt." Sie verspotten den Ministerpräsidenten, empfehlen "Söder-Rektal-Zapferl, ein fränkisches Nischenprodukt". Das mache "hemmungslos, gnadenlos, skrupellos, einfach grandios".

Großartig und (oder weil) politisch unkorrekt waren die Lieder der Münchner Volkssänger, als deren legitime Nachfolger sich die Couplet AG versteht - auch in Sachen derbdeftiger Humor. Wenn Bachmann dann noch als Domina und Kirner als ihr williger Sklave ihre abgefahrene Sado-Maso-Nummer abziehen und "Geh' peitsch mi", seufzen, tobt der Saal so wie bei ihrer aberwitzigen Mutation zum Wiener Prekariats-Pärchen. Die zwei fabelhaften Musiker, Bernhard Gruber und Berni Filser, sehen dem Irrsinn gelassen zu und kommentieren ihn nur pantomimisch.

Gruber ist der Komponist und Arrangeur. Er hat Texte von Karl Valentin vertont, die dessen Enkelin Anneliese Kühn der Couplet AG vermacht hatte. Einer handelt von den Freuden und Leiden der Ehe - und würde heute einen Shitstorm provozieren. Die Zuschauer lachen, singen mit und schaffen etwas Wirtshaus-Atmosphäre. Da fehlen nur noch die längst von den Speisekarten verschwundenen Gerichte wie "Herz mit Kartoffeln" oder Zunge, denen Kirner nachtrauert. Die hätten jedoch dem einen oder anderen den Genuss am rundum gelungenen Auftritt getrübt.

Additional Info

  • Quelle: Süddeutsche Zeitung
  • Datum: 03.03.2019